Das Projekt

 

Analphabetismus in Bolivien

Nach Angaben des "Instituto Nacional de Estatística de Bolivia" sind rund 7 % der Männer und rund 19 % der Frauen über 15 Jahre Analphabeten, wobei auf dem Lande deutlich mehr Menschen nicht lesen und schreiben können als in den Städten. Die Zahl der funktionalen Analphabeten - also der Menschen, die zwar Wörter entziffern, aber nichts mit deren Inhalt anfangen können - ist jedoch weit größer. Um die Armut in Bolivien zu verringern, wurden viele Reformen durchgeführt, unter anderem auch Reformen des Bildungswesens. Seit 1994 wird in Bolivien interkulturell und zweisprachig unterrichtet. Die Unterrichtsstunden werden, je nach Region, in spanischer und einer indigenen Sprache wie zum Beispiel Quechua oder Aymara abgehalten. Davon versprach man sich die Einbindung der nicht primär spanischsprachigen Kinder in das Bildungssystem. Doch trotz des bilingualen Unterrichts und der geltenden Schulpflicht ist die Quote der Menschen, die weder lesen noch schreiben lernen, immer noch extrem hoch.

Das Recht auf Bildung ist laut Artikel 26 der UN-Deklaration der Menschenrechte ein Recht, das jedem zusteht. Das Recht auf Bildung ist auch eine maßgebliche Voraussetzung für Veränderungen in einer Gesellschaft. Diese können nur gefordert, erwirkt und getragen werden von Menschen, die zumindest lesen und schreiben können. Die Vereinten Nationen haben in ihren "Millenium Development Goals" formuliert, dass bis zum Jahr 2015 Jungen und Mädchen überall auf der Welt die Möglichkeit haben sollen, eine Grundschulausbildung abzuschließen.

Der Ansatz von Bolivien liest! besteht darin, Lehrern und Lehrorganen eine Lese-Lehr-Methode zu vermitteln, die geeignet ist, äußerst effizient und wenig kostenintensiv Lesen und Schreiben zu vermitteln.

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Die Methode nach Rabanus

Die Methode nach Rabanus ist eine Leselernmethode, die mit Lautgebärden arbeitet. Jedem Laut wird ein Fingerzeichen zugeordnet, so dass das Lesen lernende Kind mit einem Laut und dem entsprechenden Buchstaben bzw. der Buchstabenverbindung eine Gebärde verbindet.

In dem systematisch aufgebauten Leselehrgang, der von Katrin Rabanus in 30jähriger Unterrichtspraxis entwickelt wurde, erarbeiten die Kinder mit Hilfe der Lautgebärden die Laut-Buchstaben-Beziehungen. Dieser rund 150 Seiten umfassenden Leselehrgang beinhaltet einen Vorkurs, in dem grundlegende Lernvoraussetzungen für das Lesenlernen erworben werden. Das ist vor allem das Zusammenschleifen von Lauten bzw. Buchstaben. In dieser lesetechnischen Schwierigkeit liegt das Hauptproblem von leseschwachen Kindern. Es werden zunächst nur Silben und Silbenkombinationen auf dem Niveau der 1:1-Zuordnung von Laut und Buchstabe angeboten. Die Sinnentnahme hat auf dieser Lernstufe noch keine Bedeutung.

Die Buchstaben werden aneinandergereiht und durch Synthese zu Silben und später zu Wörtern zusammengefügt. Der Einsatz von Gebärden ist hierbei besonders hilfreich.

In allen Fibeln werden sehr früh Ganzwörter angeboten und sinnentnehmendes Lesen vorausgesetzt, was bei Kindern mit Lernschwierigkeiten zu Auswendiglernen führt, weil sie das Prinzip des Lesens weder verstanden noch verinnerlicht haben. Werden nun die Fibeltexte immer länger, wird das Behalten entsprechend schwieriger. Die Kinder werden zu Leseversagern, was wiederum negative Auswirkungen auf andere schulische Leistungen sowie auf das Sozialverhalten hat.

Für den Aufbau der Leseleistung ist es enorm wichtig, dass Kinder schnell Fortschritte sehen und dadurch zu weiteren Anstrengungen motiviert werden. Dies erreicht der Leselehrgang durch sein kleinschrittiges Vorgehen in besonderem Maße. Er ermöglicht Blatt für Blatt einen kleinen Lernfortschritt. Im weiteren Verlauf des Leselehrgangs werden die Schwierigkeitsstufen des Leselernprozesses konsequent berücksichtigt und zwar durch geeignete Auswahl der Buchstabenfolge und intensive Übungsangebote.

Zu den Gebärden:

Der Einsatz der Lautgebärden im Leselernprozess dient als zusätzliche Gedächtnishilfe. Die inneren Vorgänge des Lesens (optische, akustische und artikulationsmotorische Wahrnehmung) werden in einen äußeren Handlungsvorgang gebracht, was das Lernen und Behalten erleichtert. Ebenso wird der Prozess der Lautverschmelzung durch den Bewegungsfluss der Gebärden unterstützt und die Reihenfolge der gedruckten Laute im Wort wird befestigt. Die Gebärden orientieren sich hauptsächlich an der Artikulationsstellung des Mundes und nicht an der Buchstabenform.

Einige Aspekte zur Durchführung:

Beim Einsatz dieser Lesemethode müssen dringend methodische Prinzipien eingehalten und konsequent durchgehalten werden, um den Erwerb der Lesefähigkeit zu garantieren. Dazu gehört die simultane Handhabung der drei Komponenten, d.h. dass Laut und Buchstabe zugleich durch die motorische Merkhilfe verbunden werden.

Weiterhin werden alle Silben und Wörter, die gelesen werden auch geschrieben, wobei sowohl das Abschreiben als auch das Auswendigschreiben vorgesehen ist.

Kinder, die im Erstleseunterricht scheitern oder schon mehrmals am Lesenlernen gescheitert sind, haben von dieser Methode großen Nutzen, da Schwierigkeiten, die in herkömmlichen Fibeln zu finden sind berücksichtigt werden und somit der Leselernprozess erleichtert wird. Wenn allen Kindern - besonders den leseschwachen Kindern - zu Beginn des Leselernprozesses diese Hilfen zur Überwindung bestehender Schwierigkeitsstufen bereitgestellt würden, könnte man Analphabetentum weitgehend verhindern.

Der Leselehrgang (span.: manuales) liegt bereits in den Sprachen Deutsch, Spanisch, Aymara, Guarani, Quechua, Englisch und Wolof (Senegal) vor und ist weltweit urheberrechtlich geschützt.

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Anwendungsmöglichkeiten

Die Methode ist anwendbar in Elementarschulen, Institutionen der Erwachsenenbildung, bei Logopäden und in sprachtherapeutischen Einrichtungen.

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Verbreitung der Methode

Lehrerinnen und Lehrer sowie Studenten des Lehramts, Sprachtherapeuten und sonstige Interessierte erlernen die Anwendung dieser Methode in speziellen, zweitägigen Seminaren, die von Bolivien liest! angeboten werden. Der Besuch eines Seminars ist unabdingbare Voraussetzung für die erfolgreiche und effiziente Anwendung in den Schulen und Institutionen.

Jedes Kind, das mit dieser Methode Lesen erlernen soll, muss mit einem eigenen Exemplar der Leseblätter (Manuales) ausgestattet werden, das es unter Anleitung bearbeitet. Die Leseblätter der spanischen Version umfassen ca. 150 Seiten. Nach unserer Erfahrung bearbeitet ein Kind mit normal-durchschnittlicher Intelligenz etwa 2-3 Leseblätter pro 60 Minuten, vorausgesetzt, es arbeitet an drei Stunden pro Woche daran. Das resultiert in einer vollständigen Bearbeitung des Leseprogramms - und damit dem Erwerb der Lesefähigkeit - in ca. 6 Monaten. Diese Zeit kann unter Umständen deutlich länger werden, wenn die Regelmäßigkeit von 3 Terminen pro Woche nicht eingehalten wird oder bei inadäquater Betreuung: Ein routinierter Lerneffekt bliebe dann aus.

Logistik. Die Bestellung der Leseblätter (Manuales) kann via E-Mail erfolgen. Siehe hierzu unter Kontakt. Die Kosten richten sich nach Art und Weise des nachgewiesenen Einsatzes der Leseblätter, können im Einzelfall auch nachgelassen werden. Bolivien liest! ist ständig bemüht, den Druck und den Vertrieb der Leseblätter (Manuales) durch Kooperationspartner zu finanzieren.

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass sämtliche Materialien urheberrechtlich geschützt sind. Der straffreie Nachdruck, Fotokopie und sonstige widmungsfremde Verwendung erfordert daher die ausdrückliche Genehmigung des Urhebers!

Maintenance. Die Erfahrung in der Anwendung in deutschen Schulen hat bereits gezeigt, dass eine Betreuung der Anwender dieser Methode außerordentliche Effektivitätssteigerungen ermöglicht. Aus diesem Grunde plant Bolivien liest! die Installation eines für Seminarteilnehmer und Anwender der Methode zugängliches web-basiertes Diskussionsforum, das es ermöglicht, in der Praxis auftauchende Probleme zur Diskussion zu stellen oder Antworten zu kategorisierten Problemen abzurufen (FAQ und Wissensdatenbank).

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