Das Land

Bolivien ist eines der grandiosesten Länder der Erde. Einsam und schwer zugänglich thront es im Innern des Kontinents, so wie auf einem Hochsitz, der in die Wolken ragt, seine alten Götter gethront haben mögen. Aber wild und unbezähmbar ist für den Menschen seine Natur, auf dem Hochland, dem Altiplano, wie in den tiefen Urwäldern. Und unlösbar scheint in Bolivien das Problem der Indios. Die Unabhängigkeit von Europa hatte den Indios die Freiheit zurückgegeben. Der Kampf war zwar fast ausschließlich ein Kampf der Criollos, der Weißen und Mestizen, gewesen, der im Lande geborenen Spanienabkömmlinge, aber er hatte in den neuen demokratischen Verfassungen allen Bewohnern, also auch den Indios, die gleichen Rechte eingeräumt. In drei Knechtschaftsjahrhunderten war jedoch mit dem einstigen Herrenvolk eine schmerzliche Veränderung vorausgegangen: wo es überhaupt noch kompakte Massen von Indios gab - in Bolivien, Perú und Ecuador vor allem - waren sie durch unmenschliche Behandlung, Hunger und Alkohol gezeichnet.

In einer jungen Republik, in welcher ein neuer Staat nach dem Willen und durch die Mitarbeit aller geschaffen werden soll, bildet das Abseitsstehen eines großen, ja des ziffermäßig bedeutendsten Teils des Volkes ein wahres Unglück. Schon Humboldt hatte es vorausgeahnt, hatte es prophezeit, dass es für einige in der damals gerade entstandenen Republik zur Kernfrage werden müsse.

Und in den aktuellen Geschehnissen, die das Land derzeit beherrschen, kann das Eintreffen dieser Prophezeiung sehr deutlich abgelesen werden. Dabei ist es aus der Sicht eines Europäers beeindruckend, mit welcher Stringenz die insbesondere betroffene indigene Bevölkerung ihren gefühlten Anspruch auf wirtschaftliche Partizipation an den Bodenschätzen des Landes, vor allem den immensen Ressourcen an Erdgas, einfordert. Dass dabei oftmals die unmittelbaren volkswirtschaftlichen Auswirkungen des konkreten Handelns aus dem Blickfeld der "bloqueadores" gerät, ist dabei die unabwendbare Folge eines insgesamt niedrigen Bildungsstandes und der damit einhergehenden kurzreichenden Betrachtungsweise.

60 % der Bevölkerung gelten nach europäischem Standard als funktionale Analphabeten. Diese vor allem der wirtschaftlich dem unteren Bereich zuzurechnenden Mehrheit ist damit in der Lage, zwar Buchstaben zu lesen, nicht aber, den Sinn des "gelesenen" Wortes zu erfassen. Damit ist der Großteil der Bevölkerung politischer Aufklärung durch Zeitungen und Bücher nicht zugänglich.

Die hierdurch bestehenden, skizzierten Probleme einerseits zu vermindern und die wirtschaftlich negativen Auswirkungen des Nicht-Lesen-Könnens für den Einzelnen andererseits zu beheben, ist nur durch eine Alphabetisierung möglich, die den Rahmenbedingungen in Bolivien entspricht. In diesem Lichte betrachtet, muss eine anzuwendende Alphabetisierungsmethode schlicht und effektiv sein. Effektiv sowohl in Bezug auf die aufzuwendenden Kosten als auch betreffend die Erfolgsaussichten der Anwendung dieser Methode.

Und genau hierin liegt die Stärke des Engagements von Bolivien liest!

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