Ein geschichtlicher Überblick

von Tanja Winkler

Dieses Land fasziniert insbesondere, weil seine Bevölkerung von der spanischen Kolonialisierung relativ verschont geblieben ist. Es ist dadurch vielleicht das ursprünglichste Land Südamerikas. Nur rund 15 % der Einwohner sind Weiße meist spanischer Abstammung. Der Großteil der Bevölkerung setzt sich zu ungefähr gleichen Teilen aus Quechua, Aymara und Mestizen zusammen, die jeweils ihre eigene Sprache sprechen und ihre Kultur bis heute leben. Diese Vielfalt verdankt Bolivien seiner Geschichte.

Die erste Hochkultur erlebte das Land in der präkolumbischen Zeit mit Tiahuanaco. Diese Kultur entwickelte sich vermutlich von 600 v. Chr. bis 1200 n. Chr. Am Ende dieser Zeit wurde sie zum ersten Imperium Südamerikas und verfiel dann relativ schnell wieder. Bis heute sind diese Kultur und ihre Herkunft rätselhaft geblieben, und die Wissenschaft weiß wenig über sie.

Die folgenden 200 Jahre nach Tiahuanaco beherrschten die aymara sprechenden Stämme das Land. Doch wegen interner Streitigkeiten hatten die Aymara dem sich ausdehnenden Inkareich wenig entgegenzusetzen und wurden in das Reich integriert. Aber die Sprache Aymara wird in Bolivien bis heute gesprochen. Das Inkareich war straff organisiert und unterhielt einen großen Militärapparat. Es verfügte über eine Art Planwirtschaft, in der zum Beispiel die Ernteerträge gleichmäßig an die Bevölkerung verteilt und der Überschuss für schlechte Zeiten aufbewahrt wurde. Auch vom Inkareich ist unter anderem die damalige offizielle Amtssprache Quechua übrig geblieben.

Auf das Inkareich folgte die Eroberung durch die Spanier. Francisco Pizarro ließ den letzten Inkakönig Atahualpa gefangen nehmen und zerstörte das Reich. Auf der Suche nach Gold und Silber kamen die Spanier ab 1545 zum Berg von Potosí ins damalige Hochperu - dem heutigen Bolivien. Im Berg von Potosí waren Silbervorkommen entdeckt worden. Über 300 Jahre lang wurden Indios dort von Europäern ausgebeutet. Viele von ihnen starben in den Stollen, die sie in den Berg treiben mussten.

Mehrere Rebellionen der indigenen Bevölkerung gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereiteten den Boden für die Unabhängigkeit. Genauso wie der Aufstand der Kreolen und Mestizen, die im Jahre 1809 - ermutigt durch die französische Revolution - gegen die spanische Ordnung kämpften. Am 6. August 1825 wurde das Land von Spanien unabhängig. Es wurde zur Republik Bolívar - benannt nach Simón Bolívar, der viele Länder Südamerikas befreit hatte und der der erste Präsident dieser neuen Republik wurde. Erst später bekam das Land den Namen Bolivien. Seitdem gab es oft wechselnde Regierungen, häufig Korruption und viele Reformen. Das Land erlebte einige Kriege, in denen Bolivien Territorium verlor - im sog. Salpeterkrieg gegen Chile sogar den direkten Zugang zum Meer. Außerdem zeigten mehrere Aufstände die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Der letzte Aufstand im Jahr 2003 gründete in der Forderung nach mehr Beteiligung der Bevölkerung an wichtigen politischen Entscheidungen und in dem Protest gegen den Export der Erdgasreserven an Mexiko und an die USA. Dieser Aufstand führte zum Rücktritt von Präsident Gonzalo Sánchez de Lozada im Oktober 2003. Seitdem regiert der ehemalige Vizepräsident Carlos Mesa Gisbert das Land.

Trotz der Reformen und des leichten wirtschaftlichen Wachstums zählt Bolivien mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 1.000,- US-Dollar im Jahr zu den ärmsten Ländern Lateinamerikas. Rund 14 % aller Bolivianer leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag.

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